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Der Bumerangeffekt: Wenn autoritäre Maßnahmen zurückschlagen

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Aktuelle autoritäre Maßnahmen gegen Migranten treffen morgen uns alle – denn Repression richtet sich stets gegen jene, die sie anfangs beklatschen.
Zusammengefasst

Die verschärften Maßnahmen gegen Migranten in Deutschland und den USA schaffen den Nährboden für eine Ausweitung autoritärer Politik. Was mit Minderheiten beginnt, trifft bald die gesamte Gesellschaft – autoritäre Dynamiken kennen langfristig keine Grenzen und gefährden am Ende die Freiheit aller.

Vom Rand zur Mitte: autoritäre Verschiebungen und historische Parallelen

Die aktuellen Entwicklungen in Deutschland und den USA zeigen ein alarmierendes Muster, das historisch nur zu gut bekannt ist. Autoritäre Maßnahmen, einmal salonfähig gemacht – sei es gegen Flüchtlinge an den Grenzen oder gegen irgendeine andere vermeintlich schwache Gruppe – neigen dazu, sich auszuweiten. Was heute Migranten widerfährt, kann morgen die allgemeine Bevölkerung treffen. Dieses Verschieben des Ausnahmezustands von den Rändern ins Zentrum der Gesellschaft hat zahlreiche historische Präzedenzfälle.

In der politischen Theorie existiert dafür das Konzept des „Imperialen Bumerangs“. Schon 1950 schrieb der antikoloniale Denker Aimé Césaire in seinem Essay Discours sur le colonialisme vom „terrific boomerang effect“: Koloniale Repressionsmethoden kehren irgendwann nach Europa zurück und treffen die Urheber selbst.

Hannah Arendt griff diese Idee 1951 in ihrem Werk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft auf und formulierte die These, dass Regierungen, die repressive Techniken zur Kontrolle fremder Populationen entwickeln, diese früher oder später gegen die eigene Bevölkerung einsetzen.

Was Hitler-Deutschland so erschreckend machte, war nicht etwa eine völlig neuartige Brutalität, sondern dass sich diese Brutalität gegen Europäer im eigenen Land richtete – Methoden, die in den Kolonien längst erprobt waren, wurden »heim importiert«. Anders gesagt: Autoritäre Werkzeuge wandern.

Übertragen auf unsere Gegenwart sollten bei solchen Parallelen alle Alarmglocken läuten. Wenn in Deutschland nun ein Notstandsmechanismus geschaffen wird, der es erlaubt, Gesetze für eine bestimmte Menschengruppe (Asylsuchende) auszusetzen, wer garantiert, dass nicht morgen bei der nächsten Krise – ob Pandemie, Klima oder innere Unruhen – ein ähnlicher Notstand für alle ausgerufen wird? Während der Corona-Zeit hat die Bevölkerung erlebt, wie rasch Grundrechte temporär kassiert werden können. Jene, die damals vor einem „Dammbruch“ warnten, sollten jetzt konsequenterweise auch die Migrations-Notlage als solchen erkennen. Doch viele tun es nicht – einige begrüßen sie sogar und fordern härtere Gangarten. Hier zeigt sich die gefährliche Dynamik der Verschiebung: Ausnahmezustände beginnen oft an den Rändern, wo die Mehrheit stillschweigend zustimmt, weil es „sie selbst ja nicht betrifft“. Doch diese Ausnahmezustände verankern neue Machtbefugnisse, neue Normen – und am Ende wächst die staatliche Eingriffsgewalt insgesamt.

Die neue Härte in Deutschland: Merz’ Maßnahmen gegen „illegale Einwanderer“

Kaum im Amt, zieht Deutschlands neuer Kanzler Friedrich Merz (CDU) die Zügel der Migrationspolitik straff an. Gleich an Tag 1 seiner Kanzlerschaft kündigte er einen »„faktischen Einreisestopp“« für Migranten ohne gültige Papiere an. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung – einer Allianz aus CDU/CSU und SPD – wurde festgeschrieben, man werde »„in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“«. Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, sollen bereits an der Grenze abgewiesen werden können.

Doch schon hier beginnt der Streit. Was genau heißt „in Abstimmung“ mit den Nachbarländern? Die SPD – nun Juniorpartner – pocht darauf, dass dafür das »Einverständnis der Nachbarn« nötig sei Unionspolitiker hingegen wollen notfalls im Alleingang handeln. Der Nachbarwiderstand ließ nicht auf sich warten: Luxemburg, Österreich und Polen erteilten dem Vorhaben umgehend eine Absage – informelle Zurückweisungen seien »„überhaupt nicht möglich“« und würden nur kilometerlange Staus verursachen. Merz dürfte dieses Thema auf seinem Antrittsbesuch in Warschau kalt entgegengeweht haben. Merz und sein Innenminister Dobrindt riskieren damit freilich eine juristische Zerreißprobe – Eilverfahren und Klagen gegen Zurückweisungen an der Grenze sind programmiert. Deutsche Verwaltungsgerichte und womöglich der Europäische Gerichtshof werden »klären müssen«, ob dieser harte Kurs im Einklang mit geltendem Asyl- und EU-Recht steht. Dennoch treibt die Merz-Regierung die „Asylwende“ unbeirrt voran.

Auffällig ist, wie stark Merz’ neue Linie den Forderungen der rechtspopulistischen AfD ähnelt. So bot AfD-Chefin Alice Weidel Merz öffentlich einen „Deal“ an, um gemeinsam die Grenzsicherung zu verschärfen – ein Affront gegen die bisherige Brandmauer-Strategie der Union, die Kooperation mit der AfD auszuschließen versprach. Um die Glaubwürdigkeit von Merz’ Versprechen zu überprüfen, reiste Weidel sogar persönlich an die deutsch-polnische Grenze bei Gubin – was sich jedoch als verfrühte Aktion herausstellte, da die Anweisung zu den Grenzkontrollen erst kurz nach ihrem Besuch erfolgte. Merz selbst hatte im Wahlkampf kaum ein Thema so betont wie die Migration: »„unkontrollierte Einwanderung stoppen“« lautete sein Mantra für Tag 1. Nun, da er die Macht hat, inszeniert er sich als der starke Mann an der Grenze. Dennoch wirkt sein Vorgehen seltsam zaghaft und inkonsequent: Zwar schickt er Bundespolizisten an die Übergänge, doch gleichzeitig beschwichtigt er, »„niemand [habe] die Absicht…, die Grenzen zu schließen“«. Diese Formulierung – eine kaum zufällige Anspielung auf Walter Ulbrichts berühmten Spruch vor dem Mauerbau – lässt aufhorchen. Offiziell soll es also härtere Kontrollen geben, aber keine totale Abriegelung. Merz versucht, einen Spagat zu vollführen: gegenüber der eigenen konservativen Basis Härte zu demonstrieren, ohne international völlig anzuecken. Das Ergebnis ist eine politische Gratwanderung, die von Kritikern als Show ohne Substanz abgetan wird.

Trumps „Selbstabschiebungsprogramm“: Migrationsagenda 2025 in den USA

Während Deutschland seine Grenzen abschottet, setzt in den USA Präsident Donald Trump auf eine Mischung aus Abschreckung und zynischem „Service“ für Migranten. Trump, der Anfang 2025 ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, verkündete per Dekret das erste Selbstabschiebungsprogramm der US-Geschichte. Sein Motto an alle ohne Papiere lautet unverblümt: „Buchen Sie jetzt Ihren Gratisflug!“ – eine grimmige Einladung, das Land freiwillig zu verlassen, bevor der Staat es mit Zwang tut. Die Wunschvorstellung: Illegale Einwanderer können sich an jedem Flughafen melden und kostenlos in ihre Heimatländer zurückfliegen, sogar bequem buchbar per Handy-App. Wer diesem „Angebot“ folgt, dem winken neben dem Ticket sogar $1000 Prämie als Starthilfe. Diese Geldzahlung – in Trumps Worten eine Art »“Handgeld“« – soll den Anreiz erhöhen, das Land auf Nimmerwiedersehen zu verlassen.

Die andere Seite der Medaille ist jedoch offen autoritär. Trump warnte unmissverständlich: Für all jene, die dennoch bleiben, drohten »„plötzliche Abschiebung, an einen Ort und auf eine Weise, die in unserem alleinigen Ermessen liegt”«. Mit anderen Worten: jederzeit und überall kann die staatliche Keule zuschlagen. Darüber hinaus stellte Trump drakonische Strafen in Aussicht: »„erhebliche Haftstrafen, enorme Geldstrafen, die Beschlagnahmung der gesamten Habe und die Pfändung sämtlicher Löhne”« für verbleibende Undokumentierte. Dieses erschreckende Strafarsenal malt das Bild eines rigiden Abschreckungsregimes. Die Botschaft ist klar: Wer nicht freiwillig geht, dem nimmt man alles – Freiheit, Besitz, Einkommen – und setzt ihn mit Gewalt vor die Tür.

Trumps neue Migrationsagenda für 2025 greift damit ein Konzept auf, das bisher eher auf radikalen Blogs und in Denkfabriken spukte: “Self-Deportation” – die Selbstabschiebung. Bereits im Wahlkampf hatte Trump vollmundig »„die größte Abschiebekampagne in der US-Geschichte“« angekündigt. Nun versucht er offenbar, dieses Versprechen mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche einzulösen. Die Rechnung dahinter ist zynisch-pragmatisch: Kosten sparen.

Während Trump mit drastischen Maßnahmen gegen Migranten punktet, bleibt die systematische Ausbeutung durch unerlaubte Beschäftigung absichtlich unangetastet. Menschen ohne legalen Status arbeiten für Hungerlohn, um Kleinkapitalisten legalen Reichtum und Konsumenten billige Preise zu sichern – eine gezielte Form der industriellen Verwertung des Menschen, die aufrechterhalten wird, während zugleich öffentlichkeitswirksam Abschiebungen inszeniert werden. Eine Doppelmoral, bei der weniger um die Eindämmung einer scheinbar „ungeregelten Migration“  als vielmehr um politische Symbolik und ökonomische Interessen geht.

Bloomberg warnte folgerichtig in einer aktuellen Analyse eindringlich vor den wirtschaftlichen Folgen von Trumps Migrationsrhetorik: Wenn Arbeitsmigranten das Land verlassen, droht ein massiver Arbeitskräftemangel in essenziellen Branchen, was die Wirtschaft in eine ernste Krise stürzen könnte. The Pioneer weist zudem darauf hin, dass Migration positive Effekte auf den Arbeitsmarkt hat und die Inflation senkt.

Corona-Maßnahmenkritiker und die neue Härte gegen Migranten

Die scharfen Maßnahmen von Merz und Trump haben eine bemerkenswerte Fanbasis: Ausgerechnet Teile jener deutschen Corona-Maßnahmen-Protestbewegung, die vor kurzem noch gegen staatliche Zwangsmaßnahmen und „Diktatur“ aufbegehrten, applaudieren nun den harten Einschnitten gegen Migranten. Dieses Phänomen ist voller Ironie. Während der inszenierten Pandemie wetterten Aufklärer und Querdenker gegen Grenzschließungen, Reisebeschränkungen und Notstandsgesetze – alles angeblich beispiellose Eingriffe in die Freiheit. Jetzt fordern viele von ihnen mit Inbrunst Grenzschließungen gegen Asylsuchende, plädieren für eine „nationale Notlage“ in der Asylpolitik und beklatschen jeden staatlichen Muskeleinsatz, solange er nicht sie selbst trifft. Ein Beispiel bietet die Publizistin Vera Lengsfeld, die in der kritischen Corona-Bewegung als prominente Regierungskritikerin galt. Aus ihrer Feder erschien jetzt ein Kommentar, der Merz scharf angreift – allerdings nicht wegen zu großer Härte, sondern wegen »vermeintlicher Halbherzigkeit«. Mit hörbarem Spott will Lengsfeld Merz damit als Lügner entlarven: Merz sei zu lasch, er habe nicht den Mut, wirklich „durchzugreifen“. Dass dieselbe Autorin noch vor kurzem gegen ausufernde Staatlichkeit und autoritäre Tendenzen Sturm liefen, scheint vergessen. Heute beklagt sie eher, dass Merz nicht autoritär genug agiere.

Man erkennt darin ein verbreitetes Muster: In der Erzählwelt vieler Maßnahmenkritiker haben sie selbst für Freiheit und Grundrechte gekämpft – doch Migranten zählen offenbar nicht zu jener schützenswerten „freien“ Bevölkerung. Im Gegenteil, nun werden Geflüchtete zur Projektionsfläche einer Law-and-Order-Sehnsucht gemacht. Eine Entwicklung, die tiefergehende sozioökonomische Ursachen bewusst ausblendet. Denn Migration ist nicht nur Folge politischer Krisen, sondern auch Resultat ökonomischer Interessen, die Migranten für niedrige Löhne systematisch ausbeuten. Maßnahmen-Kritiker, welche die Masken- und Impfpflicht bekämpften, fordern nun Internierungslager für Asylbewerber; Freiheitsaktivisten, die Lockdowns als totalitär entlarvten, verlangen nun effektive Ausgangssperren – allerdings nur für Flüchtlinge. Die Doppelmoral könnte kaum greller ausfallen. Es scheint, als habe man aus der Corona-Diktatur vor allem dies gelernt: Autorität ist dann in Ordnung, wenn sie die anderen trifft.

Dieser Wandel sorgt durchaus für Spaltungen und Spannungen innerhalb der einstigen Protestszene. Einige gesinnte Stimmen, wie Felix Feistel, warnen, man vergehe sich hier an den eigenen Prinzipien – man könne nicht glaubwürdig Freiheit für sich einfordern, während man sie anderen verweigert. Andere jedoch, wie der Marxist Jan Müller, haben den Schulterschluss mit den Nationalkonservativen vollzogen: Die Empörung, die einst der Corona-Diktatur galt, richtet sich nun auf eine vermeintliche „Massenmigration“ und der fiktiven Gefahr eines „Bevölkerungsaustausch“.  Wo früher „Freiheit“ draufstand, ist jetzt „Grenzen dicht“ drin. Für gesellschaftliche Beobachter dürfte dies ein Lehrstück in Sachen politischer Opportunismus und Sündenbocksuche sein.

Stimmen aus alternativen Medien: Vorwürfe des Wortbruchs und der Schuldenpolitik

Abseits der Mainstreammedien – ob NIUS, Tichys Einblick, Epoch Times, Reitschuster oder auch hier bei Haintz.media – werden Merz’ Migrationskurs und Regierungsstil mit scharfem Ton kommentiert. Ein zentrales Narrativ dabei: Merz bricht Wahlversprechen und höhlt die Schuldenbremse aus. Tatsächlich liefern diese Medien ein bemerkenswert einhelliges Bild eines Kanzlers, der seine Wähler enttäuscht und Prinzipien über Bord wirft, um an der Macht zu bleiben.

Das Portal NIUS, Sprachrohr einer konservativen „bürgerlichen Mehrheit“, konstatierte bereits im März bitter: Von Merz komme »„gar nichts, außer Schulden“«. Gemeint ist: Statt die versprochene Kehrtwende in der Migrations- und Finanzpolitik zu liefern, produziere der CDU-Chef nur neue Ausgaben und Schuldenberge. Tichys Einblick (TE) wird noch deutlicher. Keine 24 Stunden nach der Wahl, so »TE«, habe Merz „seine letzten verbliebenen konservativen Grundsätze über Bord“ geworfen – die Schuldenbremse solle fallen; damit begehe er nichts weniger als Wählerbetrug. Der »TE-Wecker« (ein Podcast von Tichys Einblick) titelte am 5. März 2025 entsprechend: »„Merz bricht zentrales Wahlversprechen und rasiert [die] Schuldenbremse“«.

Auch auf »Reitschuster.de« dem Blog des bekannten Merkel- und Corona-Kritikers Boris Reitschuster, hagelt es Vorwürfe. Hier wird Merz als prinzipienloser Machtmensch gezeichnet, der „um jeden Preis“ Kanzler werden wollte und dafür zum „Bettvorleger von Rot-Grün” mutierte. In einem Kommentar ist von einem „schwarzen Tag für Deutschland“ die Rede – einer „Tragödie für die CDU“. Eine Billion neue Schulden! Merz habe vor der Wahl hoch und heilig versprochen „Mit mir nicht!“, und sei nun »„umgefallen wie ein Kartenhaus“«. Die eigenen Abgeordneten hätten diesen „Verrat“ aus Karrieregeilheit mitgetragen. Reitschusters Autor nennt das Ergebnis „das Ende jeder soliden Finanzpolitik“ und sogar den »„Todesstoß“« für den Euro. Der Vorwurf der Wortbrüchigkeit zieht sich durch: Merz habe gegen die Ampel-Ausgabenpolitik »gewettert« – „Wir werden das Geld der Bürger nicht zum Fenster hinauswerfen“, versprach er noch kurz vor der Wahl, „nun schickt er sich an, genau das zu tun“. Solche Zitate aus der alternativen Medienblase zeugen von einer tiefen Enttäuschung und Wut auf Merz von nationalkonservativer Seite.

Bemerkenswert ist, wie synchron die Botschaften der verschiedenen Plattformen klingen. Ob bei NIUS oder Reitschuster, überall liest man vom Wortbruch des Friedrich Merz. 


Interessant ist, dass die Epoch Times, ein alternatives Medium mit starker pro-Trump-Tendenz, Merz ebenfalls scharf kritisiert, jedoch häufig wegen mangelnder Konsequenz. Dagegen werden Trumps harte Schritte eher wohlwollend und positiv dargestellt. In der alternativen Medienlandschaft, wie auch im Mainstream, wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen. Ein Merz, der nach rechts blinkt, aber vermeintlich nach links abbiegt, wird hart attackiert. Ein Trump hingegen, der migrationspolitisch die äußerste Härte zeigt, wird als konsequent und effektiv gefeiert. Beide dienen letztlich als Projektionsflächen: Merz als Verräter, Trump als Vollstrecker.

Die gefährliche Dynamik des autoritären Bumerangs

Merz’ und Trumps Vorgehen illustrieren eindrucksvoll, wie autoritäre Maßnahmen zunächst gegen Schwache eingesetzt, später aber gegen die gesamte Gesellschaft verwendet werden können. Der Applaus aus einst freiheitsliebenden Kreisen offenbart eine gefährliche Ignoranz gegenüber den langfristigen Konsequenzen. Wer heute autoritäre Maßnahmen gegen andere fordert, könnte morgen selbst betroffen sein. Der Bumerang-Effekt ist historisch bewiesen und real: Autoritäre Politik schlägt früher oder später zurück.

Historische Parallelen finden sich viele: Etwa wurden nach 9/11 im Namen der Terrorabwehr Überwachungsgesetze etabliert, die heute Staaten millionenfach die Kommunikation ganz normaler Bürger mitschneiden lassen – weit über die anvisierten Terrorzellen hinaus. Oder man denke an die Weimarer Republik: Notverordnungen sollten ursprünglich den Staat gegen Kommunisten schützen, mündeten jedoch in eine allgemeine Außerkraftsetzung demokratischer Prozesse unter den Nazis. Jede autoritäre Maßnahme hat das Potenzial eines Trojanischen Pferdes: Einmal ins Gesetz eingelassen, entfaltet sie ihre Wirkung oft ganz anders und weiter, als die Bevölkerung es sich zunächst vorstellen konnte.

Autoritärer Werkzeugkasten

Im aktuellen Kontext bedeutet das: Grenzregime und Abschiebungsapparate, die jetzt für „Illegale“ aufgebaut werden, könnten morgen jede unerwünschte Personengruppe treffen. Was, wenn bestimmte Bürgergruppen in einer zukünftigen Krise als Gefahr deklariert und ähnlich entrechtet werden? Die gesellschaftliche Akzeptanz wäre womöglich höher, nachdem man es zuvor bei Migranten ja „erfolgreich“ durchexerziert hat. Die Aufklärer in der Corona-Diktatur wähnten einst, sie selbst wären Ziel einer autoritären Agenda – doch indem sie nun harte Eingriffe gegen Migranten fordern, tragen sie dazu bei, einen Werkzeugkasten bereitstellen zu lassen, der irgendwann auch gegen sie oder uns alle angewandt werden kann. Das ist das Perfide an solchen Entwicklungen: Die Zielscheibe mag wechseln, doch der Verlust an Rechtsstaatlichkeit bleibt bestehen und weitet sich aus.

Wehret der Wiederkehr

Die aktuellen migrationspolitischen Maßnahmen unter Friedrich Merz in Deutschland und Donald Trump in den USA offenbaren viel über den Zustand unserer Gesellschaft. Beide Politiker setzen auf populäre, harte Lösungen gegen „Illegale“ – Merz mit Grenzkontrollen und Zurückweisungen, Trump mit einem bizarr anmutenden Selbstabschiebungsprogramm. Beide bedienen damit Ressentiments und Ängste in der Bevölkerung. Doch die vermeintliche Lösung kommt mit hohen Kosten: Rechtsstaatliche Prinzipien werden ausgehöhlt, humanitäre Werte über Bord geworfen, autoritäre Präzedenzfälle geschaffen.

Wir erleben eine beunruhigende Konvergenz – die Empörung von einst wird zum Schweigen von heute, die Rebellen von gestern befeuern die Repression von morgen. Merz und Trump mögen auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sein, doch sie spielen beide mit dem Feuer autoritärer Politik. Und ein Teil der Gesellschaft, der sich selbst als aufgeklärt und kritisch begreift, greift nur allzu bereitwillig zu Fackel und Benzin, solange das Feuer woanders lodert. Doch autoritäre Maßnahmen kennen letztlich keine Grenzen. 

„Wehret den Anfängen“ lautete eine Mahnung nach den dunkelsten Kapiteln deutscher Geschichte. Heute müsste man formulieren: Wehret der Wiederkehr der Anfänge, egal gegen wen sie sich richten. Wenn einst die Parole „Meine Freiheit endet nicht an deiner Angst“ auf den Corona-Maßnahmen-Demos skandiert wurde, so müsste man nun denjenigen Zuruf machen, die euphorisch Grenzzäune errichten wollen: Die eigene Sicherheit darf nicht auf der Entrechtung anderer aufgebaut werden. Denn eine auf Angst und Ausschluss basierende Politik entwickelt schnell eine Dynamik, die niemand mehr kontrollieren kann. Was als autoritärer Reflex gegenüber einer schwachen Gruppe beginnt, kann als autoritärer Albtraum für die gesamte Gesellschaft enden – gerade deshalb müssen Sicherheit und Grenzschutz strikt rechtsstaatlich erfolgen und dürfen nie Anlass für Ausnahmezustände oder Notstandsgesetze sein.

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Dejan Lazić

Dejan Lazić ist Jurist und Sozialökonom. Gründungsmitglied des BSW. Als Autor schreibt er über Macht, Moral und Manipulation – und der Rolle von Parteien, "Medien" und Konzernen in einer gelenkten Demokratie.

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