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Tafeln in Deutschland am Limit: Rationierung und wachsende Armut

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Die Tafeln in Deutschland kämpfen gegen eine nie dagewesene Nachfrage. Während die Bedürftigkeit weiter wächst, weil die Politik nicht handelt, geraten diese Einrichtungen an ihre Grenzen.
Zusammengefasst

In Deutschland nehmen die Tafeln die Rolle einer unverzichtbaren Anlaufstelle für Bedürftige ein. Doch inmitten einer eskalierenden Armutswelle sehen sich diese Einrichtungen mit einer nie dagewesenen Belastung konfrontiert. Die Tafeln, die ursprünglich als freiwillige und gemeinnützige Organisationen zur Unterstützung der Ärmsten ins Leben gerufen wurden, geraten aufgrund einer stark gestiegenen Nachfrage zunehmend an ihre Grenzen. In vielen Fällen sind sie nicht mehr in der Lage, der enormen Zahl an Hilfesuchenden gerecht zu werden. Laut Angaben von Andreas Steppuhn, dem Vorsitzenden des Tafel-Dachverbandes, müssen mittlerweile 60 Prozent der Tafeln ihre Lebensmittelrationierungen reduzieren. Ein Drittel der Tafeln reagiert mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten, um zumindest einen Teil der Bedürftigen weiterhin versorgen zu können.

Kritische Situation in ländlichen Regionen

Besonders dramatisch ist die Situation in ländlichen Regionen, wo oftmals nur eine begrenzte Anzahl an Supermärkten die Tafeln beliefern können. Während städtische Tafeln über eine größere Auswahl an Partnern verfügen, die Lebensmittel spenden, sind Tafeln auf dem Land oftmals auf nur zwei oder drei Supermärkte angewiesen. Dies führt dazu, dass sie besonders empfindlich auf die immer weiter sinkende Menge an überschüssigen Lebensmitteln reagieren. In ländlichen Gebieten sind daher die Engpässe noch gravierender, da die Tafeln in diesen Regionen direkt mit einer geringeren Versorgung konfrontiert sind. Ein zusätzlicher Faktor, der zu dieser Entwicklung beiträgt, ist die zunehmende Effizienz der Supermärkte in Bezug auf die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Dank besserer Logistik und einer gezielteren Bestellstrategie der Handelsketten verbleiben weniger überschüssige Waren, die von den Tafeln abgeholt werden könnten.

„Im ländlichen Raum haben sie vielleicht zwei oder drei Supermärkte. Wenn also insgesamt die Menge an gespendeten Lebensmitteln zurückgeht, die übrig bleiben, dann merken Tafeln im ländlichen Raum das.“

Andreas Steppuhn / Spiegel

Ein dramatischer Anstieg der Bedürftigkeit

Der Ursprung dieses Dramas liegt in der immer weiter wachsenden Zahl an bedürftigen Menschen in Deutschland.

Screenshot / statista

Steppuhn berichtet, dass die Tafeln mittlerweile etwa 1,6 Millionen Menschen unterstützen. Besonders seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sei die Zahl der Hilfesuchenden massiv angestiegen. Laut Steppuhn verzeichneten die Tafeln im bundesweiten Durchschnitt einen Anstieg von rund 50 Prozent bei der Zahl der Kunden. Dies sei vor allem auf die rapide steigenden Lebenshaltungskosten zurückzuführen, da die Renten und Löhne nicht im gleichen Maße angepasst worden seien. Die Inflation bei Lebensmitteln und Energie hat in den letzten Jahren dramatische Ausmaße angenommen, was dazu führt, dass immer mehr Menschen auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen sind. Auch die soziale Absicherung scheint vielerorts nicht mehr auszureichen, um die Grundbedürfnisse zu decken.

Screenshot / Tafel Deutschland

Politische Verantwortung und die Grenzen der Tafeln

Die Tatsache, dass Tafeln zunehmend mit der Versorgung der Bedürftigen überfordert sind, stellt ein eklatantes Versagen der Sozialpolitik dar. Andreas Steppuhn kritisierte die Politik scharf und machte deutlich, dass die Tafeln keineswegs in der Lage sind, die strukturellen Defizite im sozialen Sicherungssystem zu kompensieren. Er rief die Bundesregierung dazu auf, Armut „endlich ernsthaft“ zu bekämpfen und das soziale Netz nachhaltig zu stärken. Die Tafeln, so Steppuhn, könnten nicht die Lücke schließen, die durch ein unzureichendes politisches Handeln entstanden sei.

„Tafeln können nicht auffangen und übernehmen, was der Staat seit Jahrzehnten nicht schafft.“

Andreas Steppuhn / ZDF

Mehrwertsteuersenkung als unzureichender Schritt

Ein weiteres Thema, das immer wieder zur Diskussion steht, ist die Frage nach einer Steuererleichterung für Grundnahrungsmittel. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte in den ARD-„Tagesthemen“ vorgeschlagen, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent zu senken. Haintz.media hatte darüber berichtet. Dies sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch keineswegs ausreichend, um die Ursachen der wachsenden Armut nachhaltig zu bekämpfen, so Steppuhn. Die Mehrwertsteuersenkung sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn nicht auch die sozialen Transferleistungen angepasst und die Löhne sowie Renten entsprechend der gestiegenen Lebenshaltungskosten erhöht würden. Der Dachverband fordert vor allem eines: eine dringende Verstärkung der politischen Bemühungen zur Armutsbekämpfung.

„Das ist eine Folge von Politik, dass die Menschen ärmer geworden sind. Bei Lebensmittelpreisen, die gestiegen sind um 35 Prozent Durchschnitt. Bei einer hohen Inflationsrate, bei höheren Mieten.“

Andreas Steppuhn / ZDF

Das System der Tafeln in der Krise

Die Tafeln in Deutschland sind in einer schwierigen Lage, die sie allein nicht bewältigen können. Die Institutionen, die ursprünglich dazu gedacht waren, der Überproduktion von Lebensmitteln entgegenzuwirken und hilfsbedürftigen Menschen beizustehen, stehen heute vor der paradoxen Situation, selbst auf der Seite der Bedürftigkeit zu stehen. Es fehlt an der notwendigen Unterstützung durch die Politik, um diese Organisationen in ihrer Rolle als soziale Notbremse wirksam zu stärken. Tafeln können und sollen nicht die Versäumnisse der staatlichen Sozialpolitik auffangen, doch sie sind derzeit eine der letzten Linien der Unterstützung für diejenigen, die am meisten unter den wirtschaftlichen Krisen zu leiden haben.

Die Tragödie der Tafeln ist eine Tragödie des Versagens der politischen Institutionen, die über Jahre hinweg die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ignoriert haben. Ein Umdenken ist notwendig, wenn diese Notwendigkeit in einer Zeit wachsender sozialer Ungleichheit nicht zu einer permanenten, sondern nur zu einer temporären Lösung werden soll.

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Janine Beicht

Janine Beicht ist gelernte Kommunikationsdesignerin, arbeitet aber seit 2020 im Gesundheits- und Sozialwesen. Als Aktivistin engagiert sie sich besonders auf dem Gebiet der Psychologie unter dem Aspekt der jeweiligen politischen Machtinteressen.

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