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BSW und die Migrationsfrage
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Wagenknechts „Zeitenwende“ in der Migrationspolitik

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Morgens um 6:00 Uhr in Deutschland
Boris Pistorius
 Sendung vom 18.11
Das BSW fordert eine radikale Wende in Form eines 6-Punkte-Plans, der Abschiebungen beschleunigen und Sozialleistungen kürzen soll. Eine kritische Analyse von Dejan Lazić, Erstmitglied BSW.
Zusammengefasst

Kommentar (Dejan Lazić) – Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht die der Redaktion von HAINTZmedia wider. Die inhaltliche Verantwortung liegt ausschließlich beim Autor.

Sahra Wagenknecht präsentiert aktuell einen 6-Punkte-Plan der BSW-Bundestagsgruppe zur Beendigung der „unkontrollierten Migration“. Wagenknecht betont einleitend die Überforderung der Kommunen und die zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung und macht die Ampel-Parteien sowie die CDU/CSU dafür verantwortlich. Ihr Vorschlag einer Migrationswende nach dänischem Vorbild, um die Situation zu bewältigen, ist geprägt von Maßnahmen, die darauf abzielen, die Anzahl von Schutz- und Asylsuchenden drastisch zu reduzieren und zugleich klare Signale an potenzielle Migranten zu senden, dass Deutschland keine weitere Einwanderung wünscht.

Wagenknecht greift immer wieder auf das dänische Migrationsmodell zurück, ohne die langfristigen Konsequenzen vollständig zu reflektieren und vermeidet den Hinweis, dass das dänische Modell auf Deutschland nicht übertragbar ist. 



Wie steht es mit den übrigen 6-Punkten ihres großen Migrationsplans aus? Halten sie einer Analyse stand?


1. Keine Leistungen an abgelehnte Asylbewerber

Erstens müssen die Geldzahlungen an abgelehnte Asylbewerber nach einer kurzen Übergangsfrist gestrichen werden. Kein Land in der EU zahlt dauerhaft so viel an diejenigen, die gar nicht schutzbedürftig sind. Das macht Deutschland zum Magnet für illegale Einwanderung in Europa. Mehr als die Hälfte der Asylbewerber erhält aktuell keinen Schutzstatus und kann trotzdem gut versorgt im Land bleiben.“

6-Punkte-Plan / BSW

Analyse

Der Vorschlag, Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber zu streichen, ist eine wiederkehrende Debatte, die auf die Frage abzielt, ob finanzielle Unterstützung Anreize für Migration schafft. Das BSW argumentiert, dass die Leistungen einen „Magnet-Effekt“ erzeugen, der Deutschland für illegale Migration attraktiver macht. Diese Behauptung ist jedoch stark verkürzt und politisch aufgeladen, da sie die komplexen Migrationsursachen wie Krieg, Verfolgung, Umweltverschmutzung und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit ignoriert.

Es gibt keine klaren Beweise dafür, dass die Sozialleistungen in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern außergewöhnlich hoch sind und direkt die Migrationsströme beeinflussen. Die Migrationsentscheidung basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, von familiären Netzwerken bis hin zu historischen Verbindungen. Ausreisepflichtige erhalten bereits jetzt erheblich gekürzte Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) als Sachleistungen in Verbindung mit Bezahlkarten.

Folgen der Kürzung

Die vollständige Streichung der finanziellen Unterstützung würde zu einer verstärkten Isolation von Flüchtlingen in Lagern führen. Diese Ausgrenzung begünstigt soziale Entfremdung und Desintegration. Menschen ohne Perspektiven und Zugang zur Teilhabe verlieren die Verbindung zur Gesellschaft, was nicht nur psychische Belastungen nach sich zieht, sondern auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie in die Kriminalität abgleiten. Diese Maßnahmen schaffen Parallelgesellschaften, in denen Integration unmöglich wird und verstärken die sozialen Spannungen.

Fazit

Langfristig führt die komplette Streichung von Sozialleistungen zu größerer gesellschaftlicher Instabilität. Eine nachhaltige Lösung wäre, die Ursachen von Migration zu adressieren, anstatt Symptome wie finanzielle Anreize zu bekämpfen. Kurzsichtige Kürzungen lösen keine strukturellen Probleme, sondern verschärfen sie. Der Fokus sollte auf zwei Säulen liegen: einer verbesserten Integration der Migranten im Inland durch Bildung und Arbeitsmarktförderung sowie der Schaffung attraktiver Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr in ihre Heimatländer, unterstützt durch internationale Zusammenarbeit und Entwicklungsförderung.

2. Abschiebungen, konsequent und zeitnah

Zweitens: Angeordnete Abschiebungen müssen endlich konsequent und zeitnah durchgesetzt werden. Olaf Scholz versprach, im großen Stil abzuschieben. Das Gegenteil ist der Fall.  Rund 16.000 Abschiebungen gab es 2023, aber zehnmal mehr Menschen kamen, ohne Schutz zu benötigen. Beim Solinger Attentäter treffen beide Punkte zu: Er konnte als Abgelehnter weiter Leistungen beziehen und der Staat hat bei der Abschiebung versagt.“

6-Punkte-Plan / BSW

Analyse


Dieser Punkt kritisiert die langwierigen Duldungen von Migranten in Deutschland, was zunächst als Versuch erscheint, das System der Prüfung der Anspruchsgrundlagen zu beschleunigen und zu rationalisieren. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Problematik viel tiefer liegt. Geduldete Flüchtlinge und Asylsuchende sind oft gezwungen, jahrelang in einer rechtlichen und sozialen Schwebe zu verharren, da ihnen sowohl eine Arbeitsgenehmigung als auch die Integration in die Gesellschaft systematisch verweigert werden. Sie werden in Flüchtlingslagern untergebracht und von der Arbeitswelt ausgeschlossen, wodurch ihnen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung und zu einem produktiven Beitrag zur Gesellschaft genommen wird.

Strukturierte Isolation und systematische Verhinderung von Integration

Das Arbeitsverbot und die Unterbringung in Lagern beschreiben eine gezielte Politik der strukturierten Isolation. Diese Maßnahmen erschweren die Integration nicht nur, sie verhindern sie aktiv. Damit wird den Menschen jegliche Möglichkeit entzogen, sich in die Gesellschaft einzugliedern, während gleichzeitig auf politischer Ebene der Vorwurf erhoben wird, dass Geflüchtete „nicht integrierbar“ seien. Besonders zynisch wird dies bei Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten, deren Verfahren oft von den Behörden bewusst in die Länge gezogen werden. Es wird gewartet, bis sich die politische Lage in ihren Heimatländern stabilisiert, was eine sofortige Flüchtlingsanerkennung und die damit verbundene Erteilung eines Aufenthalts- und Beschäftigungsstatus blockiert. Hier zeigt sich ein System, das weder auf Effizienz noch auf Humanität abzielt, sondern auf die Vermeidung von rechtlich bindenden Verpflichtungen.

Die Forderung des BSW nach schnelleren Verfahren

In diesem Kontext ist die Forderung des BSW nach einem schnellen Abschluss der Asylverfahren durchaus zu begrüßen. Ein beschleunigtes Verfahren würde nicht nur die Unsicherheit für die betroffenen Menschen reduzieren, sondern auch die Entscheidungsprozesse transparenter und gerechter gestalten. Wenn die Verfahren zügig abgewickelt würden, könnte schneller Klarheit geschaffen werden, ob jemand einen Anspruch auf Schutz hat oder nicht. Dies könnte auch die Kosten und den Verwaltungsaufwand reduzieren und das lange hinausgezögerte Verfahren mit sich bringen.

Sahra Wagenknechts radikaler Vorschlag

Allerdings muss man die Forderung des BSW in einem weiteren Kontext betrachten. Sahra Wagenknecht hat kürzlich den Vorschlag geäußert, dass Flüchtlinge gar keinen Anspruch mehr auf ein Verfahren oder eine Prüfung ihres Asylantrags haben sollten, wenn sie über einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ einreisen. Dies ist ein äußerst radikaler Vorschlag, der den Grundpfeiler des Asylrechts, die Genfer Flüchtlingskonvention, infrage stellt. Ein solches Vorgehen würde die fundamentalen Rechte von Menschen auf Schutz und Asyl aushöhlen und könnte gravierende menschenrechtliche Folgen haben. Wagenknechts Vorschlag, wenn umgesetzt, könnte eine vollständige Demontage des humanitären Schutzsystems bedeuten, indem Asylanträge pauschal abgelehnt oder gar nicht erst geprüft würden.

Instabile Verhältnisse erschweren Abschiebungen

Die Forderung nach schnelleren Abschiebungen verkennt oft die Realität der Zusammenarbeit mit Herkunftsländern, die sich häufig in einem Zustand der Instabilität oder sogar im Bürgerkrieg befinden. Länder wie Libyen und Afghanistan sind Beispiele, wo Abschiebungen auf erhebliche Hürden stoßen. In Libyen herrschen chaotische Zustände und verschiedene Milizen haben das Land in Zonen aufgeteilt. Ein rechtsstaatliches Vorgehen ist dort kaum möglich. Ähnlich problematisch ist die Situation in Afghanistan, wo die Taliban die Macht übernommen haben. Hier verhandelt man sogar mit einer Organisation, die lange als Terrorgruppe galt. Abschiebungen in solche Länder verstoßen gegen das Völkerrecht und setzen die Betroffenen enormen Gefahren aus. Der Versuch, durch bilaterale Abkommen Abschiebungen zu forcieren, ist in diesen Fällen oft nicht möglich.

Fazit

Während die Forderung nach schnelleren Verfahren in der Tat einen positiven Effekt auf die Effizienz und Humanität der Asylprozesse haben könnte, muss sie immer im Kontext der Wahrung von Menschenrechten betrachtet werden. Es geht nicht darum, Schutzsuchenden die Möglichkeit zu nehmen, ein faires Verfahren zu durchlaufen, sondern darum, diese Verfahren so zu gestalten, dass sie transparent, zügig und rechtlich abgesichert sind. Eine Gesellschaft, die ihre moralischen und rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Geflüchteten ernst nimmt, muss darauf abzielen, Integration zu ermöglichen und nicht zu verhindern – sei es durch langwierige Verfahren oder durch die völlige Ablehnung von Asylprüfungen.

3. „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt.“

Drittens: Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt. Wer eines Diebstahls oder gar eines Gewaltverbrechens überführt wird, kann nicht erwarten, dass der Steuerzahler weiter für Kost und Logis sorgt. Auch diejenigen, die Heimaturlaub machen, sollten ihren Aufenthaltstitel verlieren können, da bei ihnen offensichtlich keine politische Verfolgung gegeben ist. Der Staat darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. Die Bevölkerung möchte das schon lange nicht mehr, auch die vielen gut integrierten Zuwanderer nicht, die täglich erleben, dass die Stimmung sich auch gegen sie wendet.“

6-Punkte-Plan / BSW

Analyse

Dieser Punkt des BSW-Plans greift die uralte populistische Rhetorik des „Gastrechts“ auf, um Migration und Asylpolitik zu vereinfachen. Der Begriff „Gastrecht“ impliziert, dass Migranten und Asylsuchende lediglich temporäre Gäste sind, deren Aufenthaltsstatus an die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln geknüpft ist. Das Konzept wird hier auf extreme Weise eingesetzt: Wer eine Straftat begeht oder sich „unangemessen“ verhält, verliert das „Gastrecht“ und muss das Land verlassen.

Missbrauch des Gastrechts und pauschale Kriminalisierung

Die Vorstellung, dass „Gastrecht“ bei Kriminalität sofort verwirkt werden sollte, zielt direkt auf die Stimmung in Teilen der Bevölkerung ab, die Zuwanderer pauschal als Bedrohung wahrnimmt. Dies geschieht oft in Verbindung mit der Forderung, die „Sippenhaft“ einzuführen und die ganze Familie abzuschieben, wenn nur ein Familienmitglied straffällig geworden ist. Diese pauschale Kriminalisierung von Migranten ignoriert jedoch grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates, in dem alle Menschen, unabhängig von ihrem Status, Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben. Zudem widerspricht der Ansatz der internationalen Menschenrechtsabkommen, die den Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden sichern, selbst wenn diese Straftaten begehen.

Politische Verfolgung und Rückkehr in Herkunftsländer

Der Vorschlag, dass Schutzsuchende, die Heimaturlaub in ihren Herkunftsländern machen, ihren Aufenthaltsstatus verlieren sollen, basiert auf einer simplifizierten Sicht auf Fluchtgründe. Menschen fliehen nicht nur vor direkter politischer Verfolgung, sondern auch vor Gewalt, wirtschaftlichem Zusammenbruch oder sozialen Spannungen. Die Möglichkeit, kurzzeitig in ein Herkunftsland zurückzukehren, bedeutet nicht automatisch, dass keine Gefahr mehr besteht. Zudem müssen solche Urlaube im Kontext von Familienbindungen oder dringenden humanitären Notlagen betrachtet werden. Tatsächlich sind bereits im Asylgesetz (AsylG) entsprechende Tatbestände geregelt. So können anerkannte Asylbewerber ihren Schutzstatus verlieren, wenn sie Kontakt zu den Behörden ihres Heimatlandes aufnehmen, etwa durch einen Besuch bei der Botschaft.

Stimmungsmache gegen Zuwanderer

Der Verweis darauf, dass „die Bevölkerung“ und auch „integrierte Zuwanderer“ diese Maßnahmen fordern, ist eine direkte populistische Ansprache, die bestehende Ängste und Vorurteile verstärkt. Diese Art der Rhetorik spaltet die Gesellschaft, indem sie „gute“ Zuwanderer gegen „schlechte“ ausspielt und damit das Misstrauen gegen alle Migranten weiter schürt.

Fazit

Der dritte Punkt des BSW-Plans baut auf vereinfachten und emotional aufgeladenen Argumenten auf, die nicht nur rechtlich problematisch, sondern auch gesellschaftlich gefährlich sind. Das Konzept des „Gastrechts“ wird instrumentalisiert, um eine harte Abschiebepolitik zu rechtfertigen, die die Grundprinzipien des Rechtsstaates untergräbt. Es wird nicht berücksichtigt, dass viele Menschen aus komplexen Fluchtursachen stammen, die weit über einfache Vorstellungen von „Gastrecht“ hinausgehen. Eine solche Politik würde die Integration erschweren und die Spaltung innerhalb der Gesellschaft vertiefen.

4. „Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU“

Viertens: Wenn Menschen, die keinen Schutz benötigen, Deutschland erreichen, ist es im Grunde schon zu spät. Daher sollten Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU stattfinden. Das ist ein Schlüssel für die Bekämpfung der illegalen Migration. Wenn Länder ihre Bürger nicht zurücknehmen, sollten Entwicklungsgelder gestoppt werden. Um die Perspektiven der Flüchtlinge in ihren Heimatländern zu verbessern und die Bereitschaft zur Rücknahme von Flüchtlingen zu erhöhen, sollten unwirksame Sanktionen (z.B. gegen Syrien) aufgehoben werden.“

6-Punkte-Plan / BSW

Analyse

Der Vorschlag, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU durchzuführen, greift auf die Abschiebeoffensive der AfD aus dem Jahr 2017 zurück, die seinerzeit noch wegen massiver Probleme auf humanitärer und rechtlicher Ebene im Bundestag abgelehnt wurde. Die Verlagerung der Asylverfahren in Drittstaaten führt zu einer Aushöhlung der Menschenrechte, da viele dieser Staaten selbst instabil sind und keine ausreichenden rechtlichen Standards bieten, um rechtstaatliche Verfahren zu gewährleisten. Eine solche Politik verschiebt die Verantwortung von Europa auf andere Länder und zielt letztlich darauf ab, Asylsuchende von den EU-Grenzen fernzuhalten. Das mag kurzfristig als Lösung erscheinen, doch es birgt die Gefahr, dass die Betroffenen in inhumane Lager oder unsichere Verhältnisse abgeschoben werden.

Stopp von Entwicklungsgeldern

Die Drohung, Entwicklungsgelder zu streichen, wenn Länder ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen, basiert auf einem simplifizierten Druckmechanismus, der langfristig kontraproduktiv wirken kann. Diese Gelder fehlen oft für lebenswichtige Projekte, die Armut und Instabilität bekämpfen – die eigentlichen Ursachen von Migration. Werden diese Gelder gestrichen, könnten die Bedingungen in den Herkunftsländern noch prekärer werden, was Migration eher verstärkt als mindert.

Sanktionen als politisch motivierte Machtinstrumente

Der Vorschlag, Sanktionen – wie beispielsweise gegen Syrien – aufzuheben, um die Rückführungsbereitschaft zu erhöhen, greift in der Argumentation zu kurz. Sanktionen sind ein Instrument hegemonialer Machtinteressen und dienen selten dazu, Menschenrechtsverletzungen zu sanktionieren, sondern geopolitische Ziele durchzusetzen. In vielen Fällen treffen Sanktionen jedoch nicht die politischen Eliten, sondern verschärfen das Leid der Bevölkerung. Wagenknechts Forderung dürfte dazu führen, dass Sanktionen zukünftig zur Steuerung von Migrationsbewegungen missbraucht werden. Die logische Folge wären Sanktionen gegen Staaten, die sich weigern Asyllager einzurichten.

Fazit

Die Vorschläge des BSW in Punkt 4 sind zwar oberflächlich verständlich, greifen aber zu kurz. Die Verlagerung von Asylverfahren und der Stopp von Entwicklungsgeldern bergen erhebliche Risiken, die langfristig mehr Leid verursachen könnten. Stattdessen sollten die Ursachen von Migration an der Wurzel bekämpft und internationale Kooperation gestärkt werden, um sichere und faire Verfahren zu gewährleisten.

5. „Rücktritt der Innenministerin“

Fünftens fordern wir den Rücktritt der Innenministerin. Nach Mannheim und Solingen ist dies überfällig. Nancy Faeser hat in allen Bereichen versagt. Die dringend notwendige Wende in der Asylpolitik und bei der inneren Sicherheit ist mit ihr nicht möglich.“

6-Punkte-Plan / BSW

Analyse

Die Probleme, die in der aktuellen Asylpolitik und bei der inneren Sicherheit bestehen, sind systemimmanent und lassen sich nicht auf das Versagen einer einzelnen Person wie Innenministerin Nancy Faeser reduzieren. Eine solche Projektion auf eine Person lenkt von den strukturellen Herausforderungen ab, die tiefer verwurzelt sind. Die deutsche Migrationspolitik ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, einschließlich internationaler Abkommen, rechtlicher Vorgaben, historischer Verantwortungen und gesellschaftlicher Dynamiken.

Systemische Ursachen

Die Überlastung der Asylverfahren, ineffiziente Rückführungen und Sicherheitsdefizite sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung und nicht das Resultat einzelner politischer Entscheidungen. Hier spielen institutionelle Trägheit, unzureichende Ressourcen und mangelnde internationale Kooperation eine Rolle. Eine reine Fokussierung auf Faeser verschleiert diese größeren Zusammenhänge und verhindert die notwendigen umfassenden Reformen.


Fazit

Statt einer personellen Schuldzuweisung sollte die Debatte auf systemische Reformen abzielen, die langfristig die Kapazitäten der Verwaltung stärken, das Rechtssystem effektiver machen und die gesellschaftliche Integration verbessern. Es geht darum, tiefgreifende strukturelle Veränderungen vorzunehmen, anstatt nur eine einzelne Person verantwortlich zu machen.

6. „Stoppsignal an die Welt“

Sechstens: So wie Merkel 2015 faktisch nach Deutschland eingeladen hat, muss dies nun mit Vehemenz widerrufen werden. Der Bundeskanzler sollte das Stoppsignal an die Welt senden: Wir schaffen es nicht, weitere Menschen aufzunehmen. Macht Euch nicht auf den Weg!“

6-Punkte-Plan / BSW

Analyse

Der sechste Punkt des BSW-Plans fordert eine radikale Abkehr von der Politik, die 2015 durch Angela Merkel initiiert wurde, als sie Geflüchteten den Zugang nach Deutschland ermöglichte. Der Plan drängt darauf, dass der aktuelle Bundeskanzler Olaf Scholz ein klares Signal an die Welt senden müsse: „Deutschland ist überfordert, weitere Menschen können nicht aufgenommen werden.“

Diese Forderung ist problematisch, weil sie simplifizierend ist und die Ursachen von Migration ignoriert. Es wird davon ausgegangen, dass ein simples „Stoppsignal“ Menschen davon abhalten kann, vor Krieg, Verfolgung und Armut zu fliehen. Diese Sichtweise blendet die humanitäre Verantwortung und internationale Verpflichtungen aus, die Deutschland nach den Genfer Flüchtlingskonventionen eingegangen ist.

Wirtschaftliche und moralische Implikationen

Die Behauptung „Wir schaffen es nicht“ ignoriert zudem den wirtschaftlichen Beitrag von Migranten zur deutschen Gesellschaft. Viele Migranten finden Arbeit und leisten ihren Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Stabilität. Ein pauschaler Aufnahmestopp dürfte langfristig zu einem (gewollten) Fachkräftemangel führen und die demografischen Herausforderungen Deutschlands weiter verschärfen. Studien belegen, dass rund 55–56% der 2015 nach Deutschland geflüchteten Menschen nach etwa sechs Jahren in Beschäftigung sind. Besonders bemerkenswert ist, dass unter den erschwerten Bedingungen für Flüchtlinge die Quote kontinuierlich steigt, wobei insbesondere Männer eine höhere Erwerbstätigenquote aufweisen als Frauen.

Fazit

Der Plan stellt eine reaktive Politik dar, die kurzfristig Erleichterung schaffen könnte, aber keine nachhaltige Lösung für die Migrationsfrage bietet.

Schlussfolgerung

Der BSW-Migrationsplan ist ein kontroverses Dokument, das in einer Zeit erheblicher gesellschaftlicher Spannungen und politischer Debatten um Migration und Integration präsentiert wird. Besonders in Städten wie Solingen, wo der tragische Brandanschlag von 1993 auf ein Asylheim fünf Menschenleben forderte, wird die Migrationspolitik immer wieder politisch instrumentalisiert. Jüngste Vorfälle, wie die Messerattacken in Solingen und Mannheim, tragen zur Intensivierung dieser Debatten bei und werden von politischen Akteuren genutzt, um Ängste zu schüren und populistische Narrative zu fördern. Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie gegenwärtige Ereignisse die Wahrnehmung von Migration beeinflussen und politische Entscheidungen lenken können, während gleichzeitig die komplexen humanitären Herausforderungen oft außer Acht gelassen werden. Wir haben während der Pandemieinszenierung lernen müssen: Menschenrechte sind unantastbar und unteilbar. Darauf sollten wir uns immer wieder besinnen, auch wenn es uns oft schwerfällt.

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von HAINTZmedia wider. Rechte und inhaltliche Verantwortung liegen beim Autor.

Dejan Lazić, Sozialökonom und Wirtschaftsjurist, Hochschuldozent für Staats- u. Migrationsrecht (2002-2022), CEO einer internationalen Rechts- und Wirtschaftsberatungsgesellschaft.
Veröffentlichungen u.a. bei tkp, NachDenkSeiten und Norbert Häring.

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