Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat tief greifende Reformen im Schul- und Bildungssystem gefordert. Sie sagte der „Bild am Sonntag“: „Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft.“ Bund, Länder und Kommunen müssten in der Bildung an einem Strang ziehen. Der Bund könne nicht immer weiter Geld geben. „Wir müssen endlich an die strukturellen Probleme ran. Das wird nur mit einer neuen Form und Kultur der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gehen. Wir müssen ein Team Bildung aufstellen, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen.“
In Berlin kommen am Dienstag Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zum „Bildungsgipfel“ zusammen, an dem Treffen nimmt auch Stark-Watzinger teil. Die Ampel hatte ein Treffen unter diesem Titel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Irgendeinenen neuen Text mit rein.

BILDUNGSKRISE
„Schule ist zum Reparaturbetrieb der Gesellschaft geworden“
Die Bildungsministerin sagte der Zeitung, besonders bei der Digitalisierung brauche es „mehr Tempo“. „Von den fünf Milliarden Euro des eigentlichen Digitalpakts ist zwar schon viel verplant, aber noch zu wenig an den Schulen angekommen. Das liegt auch an der zu bürokratischen Umsetzung.“ Zugleich kritisierte Stark-Watzinger, dass vielerorts Schulgebäude marode seien: „Es stimmt, dass die Schulen in Deutschland teilweise in einem schlimmen Zustand sind. Nicht nur bei der Digitalisierung gibt es Defizite, sondern auch in Bezug auf sanitäre Anlagen und Turnhallen. Der Investitionsstau muss parallel zur Digitalisierung angegangen werden.“
„Wir müssen dringend zum vorherigen Leistungsanspruch“
Auch Vertreter der Grünen mahnten eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen und Akteure in der Bildungspolitik an. „Der Bildungsgipfel muss ein Ausrufezeichen setzen und klarmachen, dass nur ein erfolgreicheres Zusammenwirken für bessere und chancengerechte Bildung die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichert“, sagte der Vorsitzende des Bildungsausschusses des Bundestages, Kai Gehring, der Deutschen Presse-Agentur. Das Treffen müsse der Startschuss für eine neue Kultur der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen mit der Bildungsforschung und Zivilgesellschaft sein.

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Er verwies auf Probleme wie den Lehrkräftemangel, Lernrückstände und Leistungsverschlechterungen bei Schülern sowie eine hohe Schulabbrecherquote vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels. Alle Ebenen und Akteure seien aufgefordert, für mehr Chancengerechtigkeit, höhere Durchlässigkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit sowie Aufstiegsmöglichkeiten zu sorgen, „damit wir nicht in eine tiefe Bildungskrise schlittern“.
Unterdessen warnte der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann, vor einer Entwertung von Abiturnoten. Er sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir müssen dringend zurück zur früheren Benotung und zum vorherigen Leistungsanspruch, sonst geht die wichtige Signalwirkung der Abiturnoten verloren.“ Nach der Corona-Pandemie dürften Abitur und Abschlussprüfungen nicht dauerhaft auf einem leichteren Niveau bleiben.
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Die bildungspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Ria Schröder, kritisierte unterschiedliche Anforderungen in den Bundesländern: „Deutschland leistet sich 16 verschiedene Schulsysteme, Lehrpläne und Prüfungsordnungen. Dabei kann kein einheitliches Abitur herauskommen“, sagte Schröder der Zeitung. „Wir brauchen mehr Qualität durch Vergleichbarkeit in der Bildung.“